Interdisziplinäres Zentrum für
Bewegungs- und Sportmedizin
Wuppertal e.V.

Seltene Erkrankungen

Hämophilie

Bei der Hämophilie, die im Volksmund auch als Bluterkrankheit bekannt ist, liegt eine genetisch bedingte Störung der Blutgerinnung vor. Durch einen X-chromosomal rezessiven Erbgang manifestiert sich die Hämophilie, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, nur bei Männern. Frauen weisen als sogenannte Konduktorinnen (Überträgerinnen) zwar häufiger eine verminderte Gerinnungsaktivität auf, schwere Verlaufsformen der Hämophilie und extreme Blutungskomplikationen sind aufgrund des zweiten, gesunden X-Chromosoms jedoch nicht zu beobachten. In rund 30% aller Fälle wird die Hämophilie nicht vererbt, sondern entsteht durch eine Spontanmutation.

Ein Mangel bzw. Funktionsdefekt der Gerinnungsfaktoren VIII (Hämophilie A – Prävalenz 1:10.000) bzw. IX (Hämophilie B – Prävalenz 1:25.000) führt zu einer erhöhten Blutungsneigung der betroffenen Patienten. Das Blut der Patienten gerinnt verzögert oder gar nicht, wodurch es neben traumatisch bedingten, auch zu spontanen Einblutungen in Muskeln und Gelenke kommt. Dabei sind vor allem die Sprung-, Knie- und Ellenbogengelenke am häufigsten von Einblutungen betroffen. Eine Einblutung ins Gelenk geht meistens mit Schmerzen, Schwellung, Erwärmung und einem Verlust der Gelenkbeweglichkeit einher. Darüber hinaus kann bereits eine einmalige Einblutung zu strukturellen und neuromuskulären Veränderungen der betroffenen Gelenke führen. Immer wiederkehrende Einblutungen in das gleiche Gelenk münden dann häufig in einer sogenannten hämophilen Arthropathie.

Die hämophile Arthropathie stellt eine sekundäre, entzündliche Form der Arthrose dar und zählt zur häufigsten Gelenkerkrankung bei Hämophilen. Im Verlauf der hämophilen Arthropathie kommt es zu weiteren funktionellen Anpassungen des muskuloskelettalen Systems, wie bspw. zum Verlust der Gelenkbeweglichkeit, zu Kontrakturen oder zu Atrophien der gelenkumgebenden Muskulatur, woraus eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit resultiert. Neben verminderten koordinativen Fähigkeiten und einem Kraftdefizit der gelenkumgebenden Muskulatur, weisen Personen mit Hämophilie eine allgemein verminderte körperliche Aktivität und damit einhergehend eine verminderte Ausdauerleistungsfähigkeit auf. Insbesondere die motorischen Fähigkeiten: Kraft, Koordination und Beweglichkeit spielen eine essentielle Rolle in der Aufrechterhaltung der Gelenkfunktion. Defizite dieser motorischen Fähigkeiten führen zu einer erhöhten Belastung des betroffenen Gelenks, wodurch es zu einem erhöhten Blutungsrisiko kommt. Es entsteht ein Teufelskreis aus vermehrten Einblutungen, Verschlechterung der Gelenkstruktur und -funktion und verminderte körperlicher Leistungsfähigkeit.

Mittlerweile zeigen zahlreiche Studien die positiven Einflüsse von gezieltem Training auf die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität von Personen mit Hämophilie. Aus diesem Grund bilden zielgerichtete bewegungstherapeutische Maßnahmen heutzutage einen festen Bestandteil der Behandlungsrichtlinien für Personen mit Hämophilie.

Haemophilie

Schweregrad Faktor VIII- bzw. Faktor IX-Restaktivität (%) Blutungsereignisse
Schwere Hämophilie unter 1 % Spontanblutungen in Gelenken und Muskeln
Mittelschwere Hämophilie 1 bis 5 % Mäßig häufige Spontanblutungen; schwere Blutungen nach kleineren chirurgischen Eingriffen
Leichte Hämophilie 5 bis unter 15 % Selten Spontanblutungen; Blutungen nach chirurgischen Eingriffen

Einteilung der Schweregrade der Hämophilie nach der Restaktivität des entsprechenden Gerinnungsfaktors